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Umfrage: Ihre Meinung ist uns…

… wichtig und als Dankeschön für Ihre Teilnahme erhalten Sie ein Abon­ne­ment unserer Publikation. (Und wenn Sie heute noch anrufen, gibt’s dieses blinkende Feuerzeug gratis dazu 😉)

Zugegeben: der kritische Umgang mit Nachrichten im Internet ist keineswegs trivial. In diesem Artikel werde ich kurz ein Schlaglicht auf Werbeanzeigen von Verlagen legen, die mit dem Element der Interaktion durch „Umfragen“ arbeiten. Vielleicht habt Ihr solche auch schon entdeckt? Von Zeit, Spiegel, FAZ, der freitag, Handelsblatt, Tagesspiegel uvm. gibt es inzwischen einen bunten Strauß solcher Anzeigen (hierbei beziehe ich mich auf Anzeigen bei Facebook/Instagram). Übrigens: Facebook bietet eine sog. „Werbebibliothek“ in welcher aktuell geschaltete Anzeigen und deren Spezifika nachgeschlagen werden können.

Der Aufbau solcher „Umfrage-Anzeigen“ könnte prototypisch so beschrieben werden:

  1. Eine Frage wird aufgeworfen / gestellt (zu aktuellen oder grundsätzlichen Themen)
  2. Innerhalb einer Umfrage (circa 3-4 Fragen) können Antworten ausgewählt werden
  3. Nach Absenden der Umfrage wird um die Adresseingabe gebeten & der Vertragsabschluss für das Abon­ne­ment (zunächst gratis/vergünstigt) erfolgt
© Screenshots jeweilige die Anzeigen/Umfrage-Seiten der Verlage: [1] Handelsblatt, [2] Tagesspiegel, [3] Spiegel, [4] Zeit. Unkenntlichmachung trotz Zitatrecht um Abmahnungen zu vermeiden.

Welche thematischen (Um)Fragen werden gestartet?

  • Wie ist Ihr Schlaf?
  • Wie ernähren Sie sich?
  • Wer wird Parteivorsitzender? 1, 2 oder 3?
  • Ist der Lockdown richtig?
  • Wen wählen Sie bei der kommenden Wahl? (RLP/BW)
  • Ihre Meinung zu Korruption in der Politik?

Oder noch allgemeiner:

  • Was denken Sie zu/über …?
  • Trägt XY die Verantwortung?
  • Wie bewerten Sie XY? War XY die richtige Entscheidung?
  • Werden Sie XY nutzen?

Die Vermutung liegt nahe, dass durch diese Art der Werbeanzeigen vor allem „Leads“ (Adressdaten von potenziell Interessierten) und Vertragsabschlüsse über Abonnements generiert werden sollen. Dabei scheint die Form der Werbung im Gewand einer „Umfrage“ besonders geeignet. Durch die Aktivierung der möglichen Kund*innen per Beteiligung an einer Meinungsumfrage, scheint die im Anschluss dargebotene „Belohnung“ in Form eines zunächst kostenfreien oder befristet vergünstigten Abonnements offensichtlich attraktiv. Vielleicht gibt es eine fundierte werbepsychologische Erklärung für diese Vermutung? Wenn Ihr was wisst, kommentiert gern.

Was sagen die Verlage?

Ich wollte von den Verlagen (s.o.) wissen, wozu diese Umfragen dienen und welche Verwertung die Ergebnisse erfahren. Darüber hinaus fragte ich nach der Aussagekraft der gewonnenen Ergebnisse und wollte wissen, ob ein Schaden an dem Mittel „Umfrage“ (oder gar Meinungsforschung) durch diese Werbemaßnahmen entstehen könnte.

Sowohl die Handelsblatt Media Group als auch der Verlag des Spiegel ließen ausrichten, dass Sie auf diese Anfragen keine öffentliche Stellung beziehen werden.

Eine Verlagssprecherin des Zeitverlag teilte mit:

Die regelmäßigen Meinungsumfragen dienen der Befragung zu redaktionellen Themen und dem Austausch mit unseren (potenziellen) LeserInnen. In diesem Rahmen wird den Befragten auch das Angebot eines Probeabonnements gemacht. Eine Teilnahme an der Umfrage ist selbstverständlich freiwillig und auch ohne Inanspruchnahme des Testangebots möglich. Viele Interessierte nehmen dieses Angebot jedoch an und entscheiden sich anschließend, DIE ZEIT weiter im bezahlten Abonnement zu lesen. Wir betreiben mit den Befragungen keine Markt- oder Sozialforschung und erwecken diesen Eindruck auch bei den angeschriebenen Menschen nicht. Wir sehen deshalb keinen Grund, warum die Leserumfragen dem Ansehen von Meinungsumfragen schaden sollten.

Und aus der Pressestelle des Der Tagesspiegel-Verlags hieß es:

… wir setzen Umfragen auf allen digitalen Kanälen ein: Auf der Website, in unseren Newslettern und auch auf Social Media. Für uns ist das eine super Möglichkeit, Feedback von den Leser*innen einzusammeln, mehr Interaktivität herzustellen und aus der reinen „Senderposition“ herauszukommen. Auch die Umfragen auf Social [sic!] sind für uns ein guter Weg, um am Puls der Leser*innen zu sein. Und den Leser*innen macht es Spaß, das zeigen die starken Mitmachquoten. Tatsächlich hat sich auch gezeigt, dass ein Probe-Angebot nach einer Umfrage gut funktioniert. Wir verbinden deshalb beides miteinander und binden hinter fast jeder Umfrage ein Probeangebot ein. Wieso auch nicht?

Was sagt Ihr?

Sind Euch solche Anzeigen auch schon aufgefallen, oder habt Ihr euch sogar beim Ausfüllen von Umfragen mit anschließendem „Dankeschön“ ertappt? Ist meine Sorge, dass diese Werbepraktik ggf. zu falschen Vorstellungen über „Meinungsforschung“ führen könnte, übertrieben?

Über Kommentare, Nachrichten oder Diskussion an anderer Stelle freue ich mich.

Von Benedikt Geyer

Mein Name ist Benedikt Geyer. Auf meiner Seite verblogge ich Interessantes rund um die Soziale Arbeit & neuere Medien und deren gegenseitige Wechselwirkung.

2 Antworten auf „Umfrage: Ihre Meinung ist uns…“

Hi Benedikt,

ich würde diese Methode, Kurzumfragen für Leadgenerierung einzusetzen, als Teil des Lead-Nurturings sehen (Definition: https://www.onlinemarketing-praxis.de/glossar/lead-nurturing). Kurzfassung: Durch die Bereitstellung relevanter Methoden zum richtigen Zeitpunkt wird eine Beziehung aufgebaut oder der Beziehungsaufbau begonnen.

Bezogen auf die Kurzumfrage: Wenn Nutzer:innen an solchen Kurzumfragen teilnehmen bedeutet das ja, dass sie sich für das jeweilige Thema interessieren. Da das Medienangebot eine Umfrage zu dem für sie relevanten Thema macht, entstehe möglicherweise erstes Interesse.

Wird dann noch – beispielsweise durch die Darstellung der Ergebnisse mit Hintrergrundinformationen – der Eindruck erweckt, das Magazin interessiere sich wirklich für die Meinung der Leser:innen und die eigen Meinung zählt – es geht hier nur um den Eindruck, nicht darum, ob das tatsächlich der Fall ist – wird die gerade entstandende Beziehung verstärkt.

Folgt jetzt ein Angebot – vergünstigt oder zunächst kostenlos – als „Dank“ oder „Belohnung“ für den Einsatz, ist das durchaus attraktiv und kann – meist unbewusst – als Ergebnis der eigenen Leistung gewertet werden.

Das wäre mal meine verkürzte Erklärung für die Funktionsweise und den häufigen Einsatz der Methode. Aus Erfahrung in Kampagnen kann ich übrigens sagen: Bei bestimmten Zielgruppen funktioniert die hervorragend für die Lead-Gewinnung, auch für NGO und soziale Einrichtungen.

Zu deiner Frage, ob solche Kurzumfragen zur Leadgewinnung den Wert von Meinungsumfrage unterminieren: Das kommt darauf an. Werden sie, wie in den von dir zusammengestellten Beispielen – inflationär und für banale Themen eingesetzt, ohne das die Rückmeldungen wirklich eine Rolle spielen, würde ich sagen: Ja, sie schaden der Wirkung und Glaubwürdigkeit von Meinungsumfragen.

Werden solche Kurzumfragen jedoch verantwortungsvoll – auch für die Leadgenerierung oder die Gewinnung von Unterschriften für Petitionen – eingesetzt und die Ergebnisse wirklich ausgewertet, dürfte das – meine Meinung nach – nicht schaden.

Viele Grüße,
Christian

Mir persönlich geht diese Fragerei auf den Keks. Häufig steckt in der Frage schon die Antwort oder die Antwortmöglichkeiten sind derart eingeschränkt, dass ohnehin nichts vernünftiges raus kommt. Dass es aber funktioniert (auch für das Abo-Geachäft), kann ich mir gut vorstellen …

Dass derart banale Umfragen der Meinungsforschung schaden, glaube ich hingegen nicht. Zumindest nicht, wenn es um anständig gemachte Forschung geht.

MfG Hannes

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