Kategorien
Allgemein

Trojanische Pferde: Produktplatzierung via „free“ Stock-Fotos

Mit diesem Beitrag möchte ich ein Schlaglicht auf eine Entwicklung bei der großen Free-Stock-Foto-Plattform Unsplash (Getty ImagesWiki) werfen, die mich sehr besorgt. Die geplante Unterwanderung durch Unternehmen und deren gezielte nicht kenntlichgemachte oder für Rezipient*innen nicht nachvollziehbare Produktplatzierung in frei nutzbaren Fotos.

Einleitung

Das Problem: Urheberrechtlich geschützte Werke, wie zum Beispiel Fotos, Grafiken oder Videos, können nicht einfach per Suchmaschine gefunden und beliebig genutzt werden. Nein, auch nicht auf der eigenen „privaten“ Website. Nein, auch nicht für den gemeinnützigen Kaninchenzuchtverein e.V., selbst wenn keinerlei Gewinnabsicht besteht. Kleiner Hinweis: Urheberrechte und Lizenzierungen.

📸 Eine Lösung: Bilderportale für kostenfrei zu nutzende Stockfotografien mit speziellen Lizenzen, die eine Weiternutzung leicht möglich machen.

Zwei große und internationale Portale hierfür sind pixabay und unsplash. Und gleich eine Klarstellung vorab: Ich war und bin ein großer Freund, Nutzer und gleichzeitig Beitragender von und zu pixabay (dazu ein Interview auf diesem Blog aus 2016) und unsplash (hier löschte ich meinen Account aus Protest auf die hier gleich aufgeworfene Problematik). Diese Unternehmen können, sollen und dürfen mit Ihren Services gerne auch gutes Geld verdienen – fair enough. 💸

Und es gibt noch mehr Pluspunkte:

  • Nutzenden-Perspektive: Ressourcen für die Bebilderung der eigenen Projekte, Artikel und Websites? Super! Fotos für die Flyer und Plakate des (Ehrenamts-)Vereins oder das gewinnorientierte Unternehmen? Top! Bildmontage und Kreativprojekte: Na logo!
  • Beitragenden-Perspektive: Eigene Fotos in großen internationalen Portalen und Publikationen oder Prints entdecken? Yes! Eigene Grafiken, die durch Amazon selbst auf T-Shirts gedruckt und verkauft werden? Na klar! Kleineren Vereinen und Initiativen durch die Bereitstellung offensichtlich helfen können? Absolut!

🖐 Klar ist auch: große internationale Medienhäuser und deren Publikationen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk wie auch gewinnorientierte Unternehmen bedienen sich in großem Stil an diesen Ressourcen, bekommen von Unsplash dazu Tools und Schnittstellen bereitgestellt oder bauen den Zugriff auf die Datenbank gar in eigene Produkte ein.

Beide genannten Portale nahmen ihren Ursprung übrigens in der Bereitstellung von CC0-lizensierten Fotos, wovon auch bspw. die Open Educational Resources (OER) Community und natürlich viele andere profitieren konnten. Nebenbei: die Lizenzierung mittels Creative Commons Modellen ist nicht trivial und die Lizenz-Modelle unterscheiden sich mitunter enorm – schließlich ist es auch nur ein Weg der Lizenzierung.

Beide hielten also ein tolles Angebot bereit, nicht zuletzt, nachdem mehrere Abmahn-Wellen durchs (Neu-)Land rollten, die durch die arglose Nutzung urheberrechtlich geschützter Fotos auf eigenen Websites möglich wurden. Inzwischen haben beide Unternehmen ihre eigenen Lizenzen (Pixabay Lizenz / Unsplash Lizenz), welche die Nutzung für z.B. freie Bildungsmaterialen rechtlich unsicher bzw. unmöglich macht. Gleichzeitig wurden andere Problemstellungen (z.B. der 1:1 Weiterverkauf) dadurch gelöst. Von Fotoproduzent*innen gab und gibt es immer wieder Kritik – nicht jede davon kann ich teilen. Doch auch offensichtliche Probleme wie nicht geklärte Persönlichkeitsrechte (liegt überhaupt ein ordentliches Model Release vor?) oder offene markenrechtliche Fragestellungen bestehen fort – das Risiko liegt bei den Nutzenden. – Danke für den Hinweis Andi Weiland (🐦 @ohrenflimmern)

Werbung ist tot – lang lebe die Produktplatzierung (Trojanisches Pferd)

Mit diesem etwas ausführlicheren Vorlauf nun zu den Pferden, den trojanischen. Oder dem gerade kürzlich erst genutzten Begriff „Open Source Advertising“ – ein absoluter 🤑 Euphemismus für „nicht gekennzeichnete, durch Produktplatzierungen oder Marketing beeinflusste Fotos, mit einem nicht transparenten Ziel der Beeinflussung„. Was ist passiert?

Unsplash (Getty Images) ist mit ihrer wahnsinnig großen Fotodatenbank (mit über 30 Millionen Nutzenden im Monat) in sehr viele Produkte integriert (über 13600 Applikationen greifen laut Unsplash auf die Programschnittstelle, auch API genannt, zu – wie WordPress, SquareSpace, Zoom, Adobe Produkte, Google Produkte…) und wird zudem weltweit sehr häufig genutzt.

Die Fotos tauchen somit weltweit in großen Nachrichten-Portalen, Websites und Social Media Auftritten von Unternehmen, NGOs und Privatpersonen, Blogartikeln, YouTube-Videos aber auch in Printprodukten auf.

Screenshot: Darauf die Visualisierung des Vorgangs der Verbreitung eines Fotos von Unsplash (links als Website) auf unterschiedliche Newsportale (rechts als Screenshots von Yahoo, MIT, Forbes, Instagram etc.)
Screenshot: © Unsplash.com No one likes ads. So let’s do something about it.
Screenshot: Darauf 4x4 Kacheln mit Fotos im Hintergrund, welche etwas verblasst sind. Darüber jeweils ein Markenlogo (Timberland, Square, Google, Microsoft, Samsung etc.).
Screenshot: © Unsplash.com No one likes ads. So let’s do something about it.

Hier zum Stöbern exemplarisch die Sammlungen von @windows, @samsung, @atoms, @timberland. Dabei fällt auf, dass die fotografischen Ansätze der Produktplatzierung unterschiedlich sind. Aber auch der Einbezug in Unsplash ist technisch unterschiedlich gelöst: Timberland hat nur eine Foto-Sammlung und verweist auf die Fotos von Unsplash-Usern, andere hingegen haben einen Unternehmensaccount.

🎠 Open Source Advertising?

Die Idee ist simpel wie genial perfide: Niemand mag die ständigen Unterbrechungen von Werbung im Netz. Werbung sowieso nervt! Also alles das, was überhaupt noch als Werbung zu erkennen ist. Unsplash bietet nun Unternehmen an, gemeinsam Fotos für Kampagnen zu entwickeln (und hierfür auch Fotograf*innen aus der Unsplash-Community mit gewisser Reputation zu gewinnen), die „unaufdringlich“ die Markenbotschaft des Unternehmens transportieren. Unaufdringlich heißt also auch: Es ist für die Rezipierenden nicht mehr als Werbung zu erkennen.

Die so eingespeisten Fotos erscheinen bei der Unsplash-Suche, werden von „Content-Creators“ heruntergeladen und für ihre Zwecke verwendet und somit auf Drittseiten veröffentlicht (wie Unsplash versichert, werden diese Fotos mit der gleichen Häufigkeit genutzt, wie nicht beauftrage Fotos). Neue Zuschauer*innen, die den ihnen bekannten Publikationen vertrauen, werden mit der Markenbotschaft erreicht, ohne es bewusst zu bemerken (Kennzeichnungspflicht von Produktplatzierung?).

Die Verbreitungswege und Veröffentlichungen werden von Unsplash unter anderem per Bilderrückwärtssuche automatisiert beobachtet und analysiert. Was für ein toller Service.

Screenshot mit Text: "How Open Source Advertising works at Unsplash  Unsplash visuals dominate the internet – reaching an audience of more than 300 million people (and growing) across tens of thousands of the internet's most popular platforms and websites each month. As the internet becomes more visual, Open Source Advertising is a way for brands to ride that wave.  Here’s how it works:  Get images. Unsplash works with brands to find visuals that align with the goals of the campaign (if none exist yet, we help find photographers to create them). The goal is for the brand impression to be obvious but not obnoxious.
Images appear in results. The images then appear promoted across relevant searches on Unsplash where they’re downloaded by creators.
Creators use images. Creators search for visuals they want to use in their creations and spread them online. (Good news for brands: Creators tend to use branded images at the same rate they use other images on Unsplash.)
The creator's content is viewed by audiences who trust the maker. Image views spread exponentially, driving awareness to the brand and its desired positioning.
Brands get results. Unsplash tracks results via API integrations and reverse image searches revealing the articles, images, and other creations using the brand’s image.
It’s the perfect way for brands to achieve relevance at mass scale. It’s as if a brand had the option to get its press kit into the hands of millions of creators eager to use its hi-res brand imagery."
Screenshot: © Unsplash.com No one likes ads. So let’s do something about it.

🎰 Aufmerksamkeits-Hacking!

Oder statt „Open Source Advertising“ 🎠 „Nicht gekennzeichnete, durch Produktplatzierungen oder Marketing beeinflusste Fotos, mit einem nicht transparenten Ziel der Beeinflussung“.

Meine Befürchtung ist, dass dieser Prozess der nicht bemerkbaren Beeinflussung (Aufmerksamkeits-Hacking) allzu attraktiv für Unternehmen sein wird. Und alle werden zufrieden sein: Die Content-Creator wollen kostenfrei an nutzbare Fotos kommen. Diese sind am besten noch authentisch und ähneln nicht „typischen“ Stockfotos. Unternehmen können auf eine „organische“ Verbreitung ihrer Fotos vertrauen, welche als „echt“ wahrgenommen werden – gerade, weil sie nicht als Werbung erkennbar sind. Und natürlich freuen sich auch Unsplash und Getty Images über dieses Geschäftsmodell.

Nichts im Internet ist „einfach so kostenlos“ – schon klar. Dennoch sind diese perfiden Unterwanderungen für mich in besonderer Weise erschreckend.

Was denkst Du? Übertreibe ich? Alles halb so wild? Eigentlich ein fairer Deal? Produktplatzierungen müssen nicht kenntlich gemacht werden und wer überhaupt noch etwas als authentisch ansieht ist naiv?

PS: Ich hatte mir hier unter #PublicDevicePublicPhoto Gedanken gemacht, wie ein anderer Weg aussehen könnte.

Quellen (Unsplash):

Von Benedikt Geyer

Mein Name ist Benedikt Geyer. Auf meiner Seite verblogge ich Interessantes rund um die Soziale Arbeit & neuere Medien und deren gegenseitige Wechselwirkung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.