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[Interview] Online-Netzwerk für Soziale Arbeit?! Oder: Sozialarbeiter vernetzt Euch!

12.144 Mitglieder hat die Gruppe „Netzwerk Sozialarbeit und Sozialpädagogik“ auf Facebook (Stand: 07.12.2015). Das ist natürlich einerseits nur ein Bruchteil der aktiven Sozialarbeiter_innen, andererseits jedoch das größte (mir bekannte) Online-Netzwerk für Soziale Arbeit.

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Die Gruppe „Netzwerk Sozialarbeit und Sozialpädagogik“ mit derzeit 12.144 Mitgliedern (Screenshot)

Was sind die diskutierten Themen? Wie geht es weiter und ist eine „Online-Vernetzung“ sinnvoll? Mit dem Gründer der Gruppe konnte ich ein kurzes Interview führen…

Zunächst folgt eine kurze Erklärung, worum es sich bei der Gruppe handelt. Weiter unten finden Sie das Interview mit dem Gründer des Netzwerkes.

Einleitung: Status quo – Online-Netzwerk für Soziale Arbeit

Neben Fragen zu spezifischen Themen (z. B. einer konkreten Forschungsfrage für eine Masterthesis oder die Eingruppierung bei der Caritas/Diakonie etc.), Hinweisen zu aktuellen Gerichtsurteilen oder sonstigen Meldungen, welche die Soziale Arbeit tangieren und hier diskutiert werden, werden Stellenangebote und -gesuche gepostet und auch das richtige Verhalten als Bewerber_in diskutiert.

Darüber hinaus werden private Blogs und Initiativen verlinkt und manchmal kann ich mich nicht dem Eindruck erwehren, es ginge lediglich um Klickzahlen und nicht um eine Inhaltliche Auseinandersetzung (Clickbait).

Was deutlich wird: Ein Austausch ist gewollt und notwendig. Jedoch findet sich scheinbar nicht immer im unmittelbaren Kollegium der Professionellen eine geeignete Ansprechperson, mit welchem aktuelle „Fälle“ besprochen und verhandelt werden können.

Nicht unwesentlich: Allen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ohne einen Facebook-Zugang bleibt die Gruppe verborgen. Es stellt sich die Frage, weshalb sich kein Forum bisher außerhalb von Facebook etablieren konnte. Denn der Niedrigschwelligkeit und einem freien Zugang des Forums für potenziell alle Sozialprofessionellen wird durch die Beschränkung auf Facebook keine Rechnung getragen.

Darüber hinaus wird bei einem Blick in die Gruppe klar, dass es keine Möglichkeit der Kategorisierung in bestimmte Themenbereiche gibt. Soll ein älterer Beitrag oder Diskussionsstrang gefunden werden, muss die Suchfunktion bemüht werden.

Client
1. Client to Client
z.B. Selbshilfe-Foren
2. Client to Professional
z.B. Online-Beratung
Professional
3. Professional to Client
z.B. Web-Visitenkarte
4. Professional to Professional
z.B. Experten-Forum
Client
Professional

Schauen wir uns die „Internetoptionen der Sozialen Arbeit“ an, welche oben sicherlich nicht erschöpfend dargestellt sind, wird dort ersichtlich, wer mit wem in Kontakt treten kann (bzw. wer den Kontakt initiiert). Das Netzwerk ließe sich somit im vierten Feld der Matrix verorten.

Die Möglichkeiten, welche ein solches Netzwerk bieten sind vielseitig: von einfachen und schnell von versierten Fachkolleg_innen zu beantwortende Fragen, über Fragen zu aktuellen Entwicklungen der Politik, bis hin zu grundsätzlichen Diskussionen über „das Wesen“ der Sozialen Arbeit. Es finden auch – und hier wird es m.M.n. kritisch – konkrete „Fallbesprechungen“ statt.

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In der Gruppe „Netzwerk Sozialarbeit und Sozialpädagogik“ wird viel und heiß diskutiert und z.T. entstehen neue Ideen.

In der Gruppenbeschreibung heißt es:

„[…] diese Plattform ist für all ihre Mitglieder eine Möglichkeit zu Austausch, Diskussion, Unterstützung und Herstellung von Kontakten auf professioneller Ebene.“ (Stand: 07.12.2015)

Diese Einladung zur „Herstellung von Kontakten“ nahm ich gerne an, und stellte dem Gründer der Gruppe ein paar Fragen.

Interview: Netzwerk Soziale Arbeit und Sozialpädagogik

Hallo, Du bist Gründer und Initiator der größten Gruppe auf Facebook für Sozialarbeiter_innen und Pädagog_innen im deutschsprachigen Raum. Seit wann gibt es die Gruppe und wie kamst Du auf die Idee?

Am 22.10.2009 gründete ich die Gruppe mit diesem post:

Post zur Gründung der Gruppe „Netzwerk Sozialarbeit und Sozialpädagogik“ (Screenshot)

Damals war ich noch im Studium der Sozialen Arbeit und habe mich sehr für das Thema Vernetzung interessiert. Im Studium wurde uns immer mitgeteilt, dass es sinnvoll wäre, sich auch in der Sozialen Arbeit berufliche Netzwerke aufzubauen, ordentliche Wege, die auch zeitgemäß waren, gab es aber keine.

Mir erschien nichts naheliegender, als eine Möglichkeit hierzu auf Facebook zu initiieren. Facebook hatte damals schon das Potential, Informationen in rasender Geschwindigkeit in die Welt zu streuen. Mit dem Ausbau des Systems an Netzwerken innerhalb von Facebook und der Anpassung verschiedenster Onlinedienste an Facebook, hat diese Tendenz nur weiter zugenommen. Die Anfangszeit lief eher schleppend, doch nach und nach hat sich hier, vor allem durch das Zutun der einzelnen Mitglieder, eine große Gruppe entwickelt, die mittlerweile beinah autark agiert.

Mehr als 12.000 Mitglieder hat die Gruppe heute. Wie managst Du das? (Beiträge löschen, Mitglieder aufnehmen, Spam aussortieren etc.)

Die Jahre zwischen 2009 und 2014 waren sehr anspruchsvoll. Bis zu einer Mitgliederzahl von etwa 3000 Personen war das komplette Management in etwa zwei bis drei Stunden pro Tag machbar. Anfangs war die Gruppe offen, es konnte ein- und austreten wer wollte. Durch die Welle an Spamaccounts hat sich dies verändert. Lag die Hauptarbeit in den Jahren 2009 und 2010 vornehmlich darin, die Gruppe zu bewerben, Inhalte einzupflegen und Diskussionen anzuregen, ging es ab 2011 vornehmlich darum, Spam zu löschen und schon im Vorfeld aus den Beitrittsanfragen zu filtern.

Ab etwa 3000 Mitgliedern stieg der Bedarf an Moderation stark an. Es war merkbar, dass eine – bezüglich der Mitgliederzahl – explodierende Gruppe, sich in solch kurzer Zeit nicht in sich finden kann. Leider hat die Trollwelle ab Ende 2011 auch das Netzwerk getroffen. Zwischen 2011 und 2014 war dementsprechend ein massiver Anstieg an ordnender Arbeit merkbar.

Bis Ende 2014 habe ich somit jeden Tag in der Gruppe verbracht, um schnell auf alle Anfragen reagieren zu können. Höchst erfreulich für mich war, dass ab Ende 2014 merkbar war, dass sich die Gruppe schön eingespielt hat. Der Aufwand für mich ist seither gesunken. Mittlerweile ist die bestehende Gruppe beinah vollständig allein agierend. Aufgrund persönlicher und beruflicher Veränderungen kann ich eine Administrationszeit, wie ich sie früher leisten konnte, nun auch nicht mehr bewältigen.

Generell gefragt: Glaubst Du, dass eine Vernetzung von Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen auch online stattfinden muss? Und warum ist das notwendig?

Ich glaube auf jeden Fall, dass die Vernetzung auch online stattfinden muss. Netzwerkarbeit dieser Art bietet vielfältige Möglichkeiten, die auch im Netzwerk ablesbar sind. Grundsätzlich bieten sich Kolleg_innen Möglichkeiten, über ihren regionalen Bezug hinaus zu arbeiten und so Erfahrungswerte in eigenes Handeln und die eigene institutionelle Einbettung ein zu pflegen.

Nebenbei können so Verbindungen entstehen, die im realen Leben wirken. Durch die Seite haben Kolleg_innen Ausbildungsmöglichkeiten, Jobs, Kooperationen und Lösungen für vielerlei Probleme gefunden. Häufig geht so etwas schnell und unkompliziert. Ich würde aber keinesfalls dazu plädieren, Vernetzung einzig und allein auf dem Onlineweg zu gestalten. Dieses Netzwerk, wie auch viele andere, kann als Baustein in einem Netzwerk von Netzwerken eine wichtige Rolle spielen. Das ist auch die eigentliche Idee hinter der Idee.

Was sind die – aus deiner Erfahrung – meist besprochenen Themen?

Ich würde nicht sagen, dass es „das Thema“ gibt. Die schöne Mischung aus Studierenden, Auszubildenden und Kolleg_innen aus der Praxis lässt aber zyklisch ablesen, was uns in der Sozialen Arbeit gerade bewegt. In der Prüfungszeit der Hochschulen kommen eben auch mal Fragen auf den Tisch, die in einer Prüfung der anfragenden Person relevant sein könnte. Im Semester geht es oft um jegliche Fragen zu Studienarbeiten. Die Kolleg_innen aus der Praxis sind gerade sehr mit der Arbeit mit flüchtenden Menschen beschäftigt. Fragen hierzu nehmen seit ca. zwei Jahren stark zu. Das Netzwerk bildet Arbeits- und Lebensrealität derer ab, die sich in ihm befinden. Klassiker sind natürlich Fragen zur Berufswahl und zum Verdienst, ebenso zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Gibt es Zukunftspläne, bspw. das Netzwerk auf eine eigenständige Plattform zu bringen?

Pläne gab es in den letzten Jahren viele. Leider bleibt es vorerst auch dabei. Die Umsetzung auf eine eigenständige Plattform ging mir natürlich auch durch den Kopf. Den schnellen Charakter von Facebook zu verlieren, wäre für die Anteilnahme sicher nicht förderlich. Spannend finde ich die Idee, dieses Netzwerk in das reale Leben zu versetzen und Treffen zu organisieren. Sicher nicht für alle ca. 12000 auf einmal aber auf regionaler Ebene wäre so etwas schon toll. Ich hatte immer wieder mit Kolleg_innen aus der Gruppe Austausch zu bestimmten Plänen, werde aber in absehbarer Zeit nichts verwirklichen können – so gerne ich auch will.

Worin siehst Du den größten Gewinn im Austausch von Sozialprofessionellen online? Und gibt es auch negative Seiten?

Natürlich gibt es auch negative Seiten. Es würde nicht für die Menschen in der Gruppe sprechen, gäbe es diese nicht. Die Gruppe hat aber immer bewiesen, dass sie sich über alle Differenzen hinwegsetzen kann. Viel wichtiger sind mir aber die positiven Seiten! Besonders schön sind die Geschichten der Kolleg_innen, die mit dem Netzwerk beruflich „groß“ geworden sind. Es gibt nicht wenige, die zu Beginn des Studiums zu uns gestoßen sind und mittlerweile fest im Berufsleben stehen. Gerade die Tatsache, dass hier auch Austausch stattfindet, der Kolleg_innen in ihrer Berufswahl stärkt und stützt, ihnen auch mal etwas Halt gibt, oder sie gar erst für diesen Beruf auf den Weg bringt, ist ein schönes Gefühl!

Vielen Dank, dass Du dir Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten. 

Sehr gerne ;-)

Von Benedikt Geyer

Mein Name ist Benedikt Geyer. Auf meiner Seite verblogge ich Interessantes rund um die Soziale Arbeit & neuere Medien und deren gegenseitige Wechselwirkung.