Bei der von caritas-digital.de initiierten 30. NPO-Blogparade lautet das Thema „NPO im Social Web“ . Die Beiträge der sich beteiligenden Blogger_innen finden Sie hier. In diesem kurzen Artikel, stelle ich grundlegende Überlegungen dahingehend an, wie NPO ihre Zielgruppe(n) erreichen (und ob dies nur im Social Web möglich ist). Besser gesagt schreibe ich darüber, was vorher bedacht werden sollte.
Facebook & Twitter ≠ DAS „Social Web“!
Das verwechseln manche. Deshalb zu Beginn eine mögliche Definition von „Social Web“ von Ebersbach/Glaser/Heigl 2016, 32:
Unter Social Web kann folgendes verstanden werden: „[...] (im Sinne des WWW) webbasierten Anwendungen, - die für Menschen - den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit - in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext unterstützen, sowie den Daten, die dabei entstehen und den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen.“
Heute zählen zum Social Web bspw. Blogs, Microblogging und Podcasts, Wikis und Soziale Netzwerke. Es auf Letzteres zu verkürzen, wäre ein fataler Fehler.
0. Vor dem „Web“ kommt die Strategie
Ziemlich trivial und dennoch werde ich nicht müde zu Erwähnen: Vor dem Weg ins Web steht die in der Unternehmensstrategie beschriebene grundsätzliche Ausrichtung in Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit und Aktivitäten im Web (nicht nur im Social Web). Dieser Prozess ist vorgelagert; die Ausrichtung muss jedoch immer wieder neu auf ihre Passgenauigkeit überprüft werden.
Dabei gilt es, sich viele Fragen zu stellen, bevor sich eine NPO ins Getümmel des „Social Web“ schmeißt. Letztendlich müssen die Ziele, welche eine Organisation hier zu erreichen sucht, benannt sein. „Warum sollen wir uns im (Social) Web zeigen, bewegen, positionieren und mitmischen?“ aber auch Fragen wie „Müssen wir im Social Web aktiv sein?“ sind nicht nur zulässig, sie sollten gestellt werden.
1. Die Zielgruppen – ein disperser Haufen
Die Zielgruppen einer NPO sind alle Anspruchsgruppen (Stakeholder), welche sowohl intern als auch extern vom organisationalen Handeln direkt oder indirekt betroffen sind. Hört sich groß an? Ist es auch, denn die Zielgruppen einer NPO setzen sich aus einem „dispersen Haufen“ zusammen ;-) Um diesen abzubilden, eignen sich Management-Tools wie Stakeholder-Analysen.
Mögliche Anspruchsgruppen:
- Klient_innen (mit unterschiedlichsten Problemlagen, Fragen oder Bedarfen)
- Angehörige oder Freunde von Klient_innen
- Sozialprofessionelle (intern/extern)
- Geldgeber_innen
- Politik/Entscheidungsträger_innen/Gatekeeper
- Lobby-Gruppen (Stadt, Kreis, Bundesland, Land)
- Ehrenamtliche
- Vereine
- Netzwerkpartner_innen
- potentielle Mitarbeiter_innen
- Konkurrenten / Mitbewerber
- …
Bevor sich eine NPO also der Überlegung widmet: Wie spreche ich als Organisation wen, wann über welchen Kanal und mit welchem Ziel an, muss ich meine Zielgruppen genau(er) kennen(lernen). Die Frage lautet: Wer ist meine relevante Zielgruppe? Und wofür (für welches Unternehmensziel) ist diese relevant?
2. Relevanz der Zielgruppe
Mehrere Fragen ergeben sich in Bezug auf die Zielgruppen einer NPO:
- Wann ist eine Gruppe als „relevant“ anzusehen?
- Wer von den Stakeholdern ist wann (für welches Unternehmensziel) relevant?
Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Das grob skizziertes Vorgehen könnte zu mehr Klarheit beitragen:
- Sammlung jeglicher Ziel- und Anspruchsgruppen anlegen (falls nicht vorhanden)
- (Vermutete) Erwartungen/Wünsche der jeweiligen Anspruchsgruppe an die Organisation benennen
- Konkrete Interessen/Wünsche der Organisation an die Anspruchsgruppe formulieren
- Bei Überschneidungen Gruppen bilden
- Anspruchsgruppe(n) charakterisieren/porträtieren
- Priorisierung:
- Welche Anspruchsgruppe(n) sind für das Überleben der Organisation notwendig?
- (Hier sind je nach Komplexität Abstufungen möglich)
- Welche Anspruchsgruppe(n) sind nachrangig?
3. Zielgruppe(n) im Social Web erreichen?
In einem weiteren Schritt wäre es sinnvoll, die bisher tatsächlich genutzten Kanäle, Wege und Arten der Kommunikation mit den Anspruchsgruppen zu beschreiben.
Mit Hilfe der Charakterisierung/Porträtierung der Anspruchsgruppen ist es nun auch einfacher möglich zu recherchieren, ob und in welchen Bereichen des Social Web die jeweilige Gruppe mit großer Wahrscheinlichkeit am ehesten anzutreffen ist (manchmal ist dies gut möglich, in anderen Fällen schwieriger).
Zielgruppe im Social Web ansprechen und abholen
Richtig ist: Wir sollten uns als „Sozialarbeitende“ und „Soziale Organisation“ im Social Web zeigen, mitreden, lernen, Ansprechpartner_innen darstellen und uns auch klar positionieren. Richtig ist jedoch auch: Nicht für jede (kleine/re) NPO ist das der passende Weg relevante Zielgruppen anzusprechen.
In der Sozialen Arbeit gibt es Ausdrücke wie: „Menschen da abholen, wo sie stehen“ und „Die Sprache der Menschen sprechen“ . Bei der oben stehenden Aufzählung von Anspruchsgruppen wird schnell klar:
DER passende Ort, an dem alle abgeholt werden können &
DIE passende Ansprache kann es nicht geben.
Zudem gebe ich zu bedenken:
Vielleicht will auch nicht jede/r in jedem Umfeld angesprochen und abgeholt werden?! ;-)
Wie lernt eine NPO ihre Zielgruppe(n) besser kennen?
Ein Vorschlag fernab von zielgruppenspezifisch ausgespielter Werbung wäre:
Treten Sie in den Dialog:
- Sprechen Sie die Zielgruppen direkt an (analog wie digital)!
- Stellen Sie Fragen, seien Sie neugierig.
- Beteiligen Sie die Gruppen an Prozessen der Ausgestaltung Ihrer Aktivitäten.
- Im besten Falle verbessert sich dadurch nicht nur die Ansprache und die Auswahl der Kanäle, sondern gleichzeitig Ihre Bekanntheit bei der Zielgruppe.
Ein aktuelles Beispiel: Berliner Straßenkinder – Selbstgebaute App soll aus der Obdachlosigkeit führen (Deutschlandfunk Kultur)
4. Orientierung im Kommunikationsdschungel bieten! Zielgruppen erreichen.
Ja, den gibt es tatsächlich diesen Dschungel. Für den einen mehr, für die andere weniger. Das Web ist nicht gleich das Web, dies gilt insbesondere auch für das Social Web. Sich darin zurecht zu finden: zuweilen auch für Kommunikationsprofis eine Herausforderung.
Im Zweifelsfall wird Google oder YouTube befragt!
Einige geschlossene Plattformen im Social Web werden von Google zuweilen nicht indexiert oder noch nicht in den Ergebnissen wiedergegeben.
Konkret bedeutet dies: Die eigene Online-Präsenz in Form einer funktionierenden (sowohl inhaltlich als auch gestalterisch) und technisch-validen Website kann es mehreren Zielgruppen leicht ermöglichen, an relevante Informationen zu gelangen. Dort kann selbstverständlich auch auf die Aktivitäten im Social Web verwiesen werden. Eine Website kann ein Anker der komplexen Angebotsstruktur einer NPO sein mit ihren Ablegern auf Plattformen, Kanälen und medialen Auftritten.
Das liest sich fast wie ein Plädoyer dafür, nicht im Social Web aktiv zu werden, sondern alles auf die Website zu fokussieren. Das möchte ich damit nicht sagen, sondern:
tl;dr: Zusammenfassung
- Sie sollten Ihre Strategie, Zielgruppen und Ziele in Bezug auf eben diese kennen.
- Die Ausgangsbasis für eine NPO sollte eine nicht-exlusive Website mit relevanten Informationsangeboten für relevante Zielgruppen bilden (andernfalls exkludieren wir bestimmte Gruppen!)
- Eine Website muss nicht statisch sein. Hier lassen sich hervorragend Elemente des Social Web integrieren (Einbindung von Podcast, NPO-Blog, Notfall-Wiki etc.) und verknüpfen.
- Wenn die o.g. Basis stimmt, schauen Sie sich die Charakteristik ihrer Zielgruppen an; Sammeln Sie verfügbare Informationen über deren Nutzungsverhalten. Und vor allem sprechen Sie mit Ihren Zielgruppen! Diese sind im Social Web aktiv und dort auf der Suche nach Angeboten von Ihnen? Werden Sie im Social Web aktiv.
Weiterführendes:
- Christian Müller: http://www.sozial-pr.net/blog/
- Sabine Depew: https://zeitzuteilen.blog
- socialnet.de Editorial: Social Media und Soziale Arbeit
Etwas Eigenwerbung:
2 Antworten auf „NPO im Social Web?!“
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