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[Interview] Prof. Dr. Rudolf Schmitt – „Soziale Arbeit und Promotion?!“

Promotion-Schmitt

Hinweis: Nachträglicher Hinweis auf den socialnet-Lexion Eintrag von Prof. Dr. Rudolf Schmitt zum Thema dieses Interviews.

Schön, dass Sie sich Zeit nehmen mir ein paar Fragen zu beantworten. Einige dürften Sie kennen, u.a. durch ihr Engagement bei der Promotionsförderung der Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA). Sie bringen nicht nur die  Promotionsrundmail monatlich heraus, sondern betreiben auf Facebook eine Gruppe für Promotionsinteressierte und Promovenden und sind bei mehreren Kolloquien als Referent präsent (Links -> siehe unten)

Woraus speist sich bei Ihnen die Motivation hier ehrenamtlich so aktiv zu werden?

Ich habe bei einer meiner ersten Diplomandinnen die Schwierigkeiten miterlebt, welche FH-Absolvent*innen bei ihrer Promotion erfahren. Da es an meiner Hochschule in Görlitz weitere Promotionsinteressierte gab, haben wir im kleinen Kreis diese Erfahrungen ausgetauscht und dokumentiert. Daraus entstand die Promotionsrundmail, aus dieser die Promotionsbroschüre (PDF), aus den Nachfragen nach beidem aus vielen anderen Hochschulen die Einsicht, dass es eines bundesweiten Engagements braucht, worauf ich in die DGSA eintrat, in der Albert Mühlum schon Pionierarbeit zu diesem Thema geleistet hatte. Es gab viele kleine Erlebnisse, die den jeweils nächsten Schritt gebahnt haben, unter anderem eine Tagung zur Promotion der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft DGfE von 2009, deren Tenor so offen abwertend gegenüber FH-Absolvent*innen der Sozialen Arbeit war, dass man hätte aus Stein sein müssen, um sich danach nicht fachpolitisch zu positionieren. Persönlich kommt vielleicht noch die Sensibilität für Bildungsbehinderungen dazu. Es gibt also nicht ein einziges großes Motiv zum fachpolitischen Engagement, sondern ist aus vielen Quellen entstanden.

Zu promovieren kann ein langer und beschwerlicher Weg sein, mit Hindernissen und Unwägbarkeiten… Weshalb kann es nach Ihrer Einschätzung dennoch lohnenswert sein, ein solches Groß-Projekt in Angriff zu nehmen?

Was „lohnenswert“ ist, entscheiden persönliche Werte – und wem Bildung, Forschen, Fragen, Lesen und Schreiben und der Kontakt zu Menschen wichtig ist, die ähnlich denken, wird auf das Projekt der Promotion stoßen. Extrinsische Motivationen wie die Hoffnung auf eine besser bezahlte Stelle sind nicht irrelevant, aber ohne das zuerst Genannte keine tragfähige Motivation.

Meist erwirbt man mit dem Master-Abschluss an einer Hochschule (Soziale Arbeit) auch das Promotionsrecht. Welche Indizien gibt es, die darauf hinweisen, dass man auch „geeignet“ ist eine Promotion erfolgreich „durchzuziehen“?

Ich versuche das einmal aus meiner persönlichen Sicht zu sammeln, solche Indikatoren werden öfter in Tests nach dem Motto „Tauge ich zur Promotion?“ genannt:

  • Intellektuelle Eigenständigkeit: sich im Studium die Themen selbst gesetzt zu haben, immer mal ein spannendes Thema über einen längeren Zeitraum vertieft zu haben (auch außerhalb von vorgeschriebenen Prüfungen),
  • Arbeitsfähigkeit (dass ich meine Kindheit auf einem Bauernhof verbracht habe und meine Arbeitskraft dort früh wichtig war, war sicher keine schlechte Vorbereitung für die Doktorarbeit – sozusagen mein geistiger eigener Bauernhof),
  • Fähigkeit, sich ein geistig interessiertes Umfeld zu schaffen – in einem nicht-akademischen Umfeld wird eine Doktorarbeit nur sehr viel schwerer gelingen.

Zu einem Großteil wird Soziale Arbeit an Hochschulen gelehrt, welche kein Promotionsrecht besitzen. Sprich: Interessierte müssen den Sprung an die Universität schaffen bzw. eine kooperative Promotion anstreben. Weshalb halten Sie es für wichtig, dass mehr Sozialarbeiter*innen promovieren?

In dem Zusammenhang zitiere ich gerne die Studie vom Amthor, dass zum Erhebungszeitpunkt gerade ungefähr 18 % der Lehrenden in der Sozialen Arbeit grundständig aus der Sozialen Arbeit kamen. Hier ist abzusehen, was passiert: Jurist*innen, Soziolog*innen, Pädagog*innen, Psycholog*innen, Theolog*innen sind dann eher zu ihrem Herkunftsfach loyal, publizieren in den dortigen Zeitschriften, bleiben in den dortigen Fachproblemen zu Hause und versuchen die Studierenden dann eher zu kleinen Pädagog*innen, Psycholog*innen, … etc. zu machen. So behalten diese Lehrenden ihre eigene Identität – was dazu führt, dass die Studierenden keine fachliche Identität in der Sozialen Arbeit erwerben, denn als Modell taugen diese Lehrenden in der Regel nicht.

Literatur:
Amthor, Ralph-Christian (2008). Von Orientierung, Vorbildern und beruflichem Habitus. In: Ralph-Christian Amthor (Hrsg.), Soziale Berufe im Wandel (S. 229-256). Baltmannsweiler: Schneider.

Bei einem Studium an einer Hochschule (für angewandte Wissenschaften) werden zwar z.T. auch Forschungsseminare angeboten, Forschungsprojekte von Studierenden durchgeführt und Grundlagen der empirischen Sozialforschung vermittelt. Aber ist das vergleichbar mit dem was an Universitäten gelehrt wird?

Dazu drei Überlegungen:

  1. Im Bereich der Ausbildung in Forschungsmethoden gibt es zwischen den Hochschulen für angewandte Wissenschaften sehr große Unterschiede, die in der schönen Master-Thesis von Florian Hinken beschrieben sind – zum Teil ein Unterschied um den Faktor 4 im Umfang des Angebots zwischen den stärksten und schwächsten Hochschulen (s.u.).
  2. Als langjähriger Dozent auf dem „Berliner Methodentreffen qualitative Forschung“ habe ich es in der Regel fast nur mit Exposés von Universitätsabsolvent*innen zu tun, und sehe dort auch sehr große Unterschiede und Nachholbedarfe.
  3. Es braucht in der Regel eine akademische Nachsozialisation (aber, wie gesagt, nicht nur für FH-Absolvent*innen; auch ich habe nach dem Diplom in Psychologie erst noch Germanistik berufsbegleitend zu Ende studiert, bevor ich mich an das Projekt einer Dissertation getraut habe). Für diese akademische Nachsozialisation bietet die DGSA mit ihren Kolloquien, das Netzwerk Rekonstruktive Soziale Arbeit mit seinen Workshops und vor allem die Promotionsrundmail viele Angebote, sich das Rüstzeug für eine Dissertation zu erarbeiten, ohne den Umweg über ein Zweitstudium zu machen.

Literatur:
Hinken, Florian (2010). Forschung in Bachelor- und Masterstudiengängen der Sozialen Arbeit im Kontext von Profession und Disziplin. Veröffentlicht am 30.04.2013 in socialnet Materialien unter http://www.socialnet.de/materialien/148.php

Was muss oder sollte alles passieren bevor es mit einer Promotion wirklich losgehen kann? Wo finde ich erste Informationen und Anlaufstellen?

Vor der Promotion steht das Exposé; vor dem Exposé steht die akademische Nachsozialisation (Letzteres lässt sich allerdings nicht voneinander trennen). Hierzu gehört auch das Finden einer Forschungslücke, das dadurch erleichtert wird, dass man für ein bestimmtes Thema seit längerem ein tätiges (d.h. lesendes) Interesse hatte. Und es gilt die Finanzierung zu klären (Stipendien sind in der Regel erst nach Annahme des Exposés bei universitären Promotionsausschüssen beantragbar; neben einer Vollzeitstelle bleibt zu wenig Raum für die Dissertation, auch Graduiertenkollegs und die Stelle als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in haben Vor- und Nachteile).

Erste Anlaufstellen können sein: der/die Betreuer*in der Master-Thesis bzw. der Diplomarbeit; die Promotionsbeauftragten an den Herkunftshochschulen; die selbstorganisierten Promotionsgruppen; die DGSA-Promotionskolloquien, die recht niedrigschwellig operieren.

Weitere Informationen: Promotionsbroschüre, Promotionsrundmail, die weiteren Materialien auf der DGSA-Seite und meiner Hochschulseite, das Facebook-Forum zur Promotion nach FH-Abschluss. Manche Hochschulen haben schon eigene Angebote dazu entwickelt, z.B. die Hochschule Fulda.

Vielen Dank noch mal, dass Sie sich Zeit genommen haben!

Gerne.

Von Benedikt Geyer

Mein Name ist Benedikt Geyer. Auf meiner Seite verblogge ich Interessantes rund um die Soziale Arbeit & neuere Medien und deren gegenseitige Wechselwirkung.

2 Antworten auf „[Interview] Prof. Dr. Rudolf Schmitt – „Soziale Arbeit und Promotion?!““

Warum müssen die Texte „immer“ in dieser Gender“Innen“ Art verfasst sein? Das ist dermassen unleserlich und verfehlt den Zweck!