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Blog Interview

[Interview] praktische-sozialwissenschaft.de – Kai Hauprich & Thomas Münch

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Kai Hauprich  & Prof. Dr. Thomas Münch bloggen seit Mai 2015 unter praktische-sozialwissenschaft.de über Sozialwissenschaften, praktische Forschung sowie Lehre. Unter dem Menüpunkt „Werkzeugkiste“ finden sich auf ihrer Seite Nice-to-Know-Facts aus Psychologie, Soziologie und anderen Disziplinen.

In einem kurzen Interview beantworten Sie hier ein paar Fragen…

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Schön dass Ihr euch kurz Zeit nehmt meine Fragen zu beantworten…

In Eurem Beitrag „Warum wir wissenschaftlich bloggen…“ beschreibt ihr Euch als digital native und digital immigrant, als junger und alter Wissenschaftler. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?

Kai Hauprich: Wir arbeiten schon einige Zeit  zusammen. Ich habe ganz klassisch als studentischer Mitarbeiter angefangen. Seitdem kultivieren wir die Figur des ungleichen Paars: Studierender vs. Professor, geborener Trierer vs. Saarländer, lebend in Düsseldorf vs. Köln. Da war das Stereotyp digital native und digital immigrant nur die folgerichtige Fortsetzung dieses running gags. Wie alle Klischees hat die Idee der natives und immigrants zwar irgendwo einen wahren Kern, ist aber selbstverständlich zu einfach und vor allem heute nicht mehr zutreffend. Aber die Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftsgenerationen bringt uns doch schon weiter. Wir schauen oft aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven auf die Dinge. Oder wie siehst du das, Thomas?

Thomas Münch: Genau, und dann auch aus unseren unterschiedlichen Lebens- und Berufsperspektiven. Denn natürlich hat Kai einen anderen Zugang zum Internet als ich mit meinen 62!

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… zudem beschreibt ihr, dass in Eurem Umfeld je unterschiedlich „Erkenntnis“ produziert wird. Könnt Ihr das kurz näher erläutern?

Kai Hauprich: Das Besondere vor allem in der Sozialwissenschaft ist doch eben, dass Erkenntnis nicht einfach losgelöst von  WissenschaftlerInnen vorliegt. So ein Positivismus würde nicht nur zu kurz greifen; er kann auch gefährlich werden. Es gibt immer verschiedene Denkschulen, Paradigmen, Konzepte, Modelle, Methoden, Theorien und so weiter. Das ist auch gut so! Es sollte immer  verschiedene Ansätze geben können, „sich die Welt zu erklären“ (eine tolle Formulierung, die ich von Thomas habe). Ich denke wichtig ist aber, dass man konstruktiv streiten kann. Ich habe  heute was Schönes gelesen, sinngemäß stand da: „Diskussion ist immer besser als Streit. Denn beim Diskutieren geht es darum, ob die Sache richtig ist und nicht nur wer Recht hat.“ Meine Artikel schreibe ich deshalb oft mit dem Ziel den LeserInnen ein paar Denkmodelle vorzustellen, die ich interessant finde und die mir helfen Soziales besser zu verstehen. Ob die alle gut und treffend sind, das diskutiere ich gerne!

Thomas Münch: Im Blog steht ja „dass hier ein junger und ein alter Wissenschaftler, ein „Digital Native“ und ein „Digital Immigrant“ aus ihren je sehr unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Art und Weise schauen, wie in ihrem Umfeld Erkenntnis produziert und vertrieben wird; und dies im Spannungsfeld zwischen universitärer Sozialpädagogik und Sozialarbeit an Hochschulen – die angewandte Wissenschaft betreiben – und was immer diese Unterschiede sein mögen; oder auch nicht!“ Und darauf kommt es uns an: Wie an den beiden Hochschulformen Forschung und Lehre und Ausbildung betrieben werden, welche Unterschiede wir hier sehen und was für als wichtig erachten und wo wir Diskussionsbedarf sehen. Und da Kai und ich beide Hochschulformen kennen, ist das ein wichtiger Fokus für uns.

Ihr wünscht Euch u.a. einen Diskurs anzuregen… findet dieser nach Eurem dafürhalten in der Blogosphäre statt?

Kai Hauprich: Ja und nein. Diese Blogosphäre oder Netzgemeinde ist ja erstens keine einheitliche, fassbare Gruppe. Zweitens kommt es für mein Empfinden selten zu längeren Diskussionen und Gesprächen – es sei denn es gibt ein größeres gesellschaftliches „Ereignis“. Noch nutzen auch nur wenige die Kommentarfunktion unseres Blogs.

Was ich aber tatsächlich erlebe ist, dass man immer wieder kurzzeitig in einen anregenden Austausch mit anderen Menschen im Netz kommt – das müssen nicht nur BloggerInnen sein. Man bekommt Rückmeldungen, Zuspruch, Kritik und Anregungen  und das von Menschen an die man sonst nicht „ran kommen“ würde. Das ist schon faszinierend und toll. Ich twittere hin und wieder mit WissenschaftlerInnen vom MIT oder bekomme eine Antwort von Gunter Dueck, Stefan Sell, oder mal eben ein konstruktives Feedback aus Görlitz. Das wäre früher nicht denkbar gewesen. Ganz oft werde ich auch persönlich angesprochen so nach dem Motto „Ich habe neulich deinen Artikel im Internet gelesen.“ Das ist schon toll.

Thomas Münch: Manchmal eher im Sinne eines vermittelten Inputs, über den ich dann gerne und lange nachdenke, manchmal aber auch wirklich im Sinne eines direkten Austausches, den ich als anregend empfinde. Beides findet statt und ist ohne das Netz nicht denkbar.

Welche Themen wollt ihr mit dem Blog abdecken und steht Ihr im Kontakt mit weiteren bloggenden Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen?

Thomas Münch: Für mich ist wichtig darüber nachzudenken und zu sprechen, welche Veränderungen in der Produktion und Perzeption von Wissen sich durch das Netz ergeben. Und was das für mich als Wissenschaftler und Lehrer bedeutet. Und dazu gibt es mittlerweile eine Vielzahl von hochinteressanten Blogs im Netz – wenn auch eher im angelsächsischen Bereich. Aber es kommt auch in Deutschland.

Kai Hauprich: Wir kommen ja beide über einen Umweg, also aus der Sozialarbeit. Die ist von Hause aus multidisziplinär. Deshalb tangieren wir Themen aus Soziologie, Psychologie, Philosophie und so weiter. Unser Kerngeschäft ist halt die Armutsforschung und seit einiger Zeit auch Internetforschung aus einer Sozialwissenschaftsperspektive. Deshalb sind wir bis dato noch „armutslastig“. Einige befreundete KollegInnen aus unterschiedlichen Disziplinen haben aber schon Interesse geäußert mal zu ihren Themen im Blog mitzuschreiben. Das wäre natürlich genial, da freue ich mich richtig drauf! Es gibt so viele interessante Ideen und Konzepte, die zwischen Tür und Angel stecken bleiben. Deshalb würde wir gerne auch andere WissenschaftlerInnen mitschreiben lassen – wir übernehmen dann nur die Technik dahinter. Das ist vielen zu viel Aufwand – ist es auch.

Was würdet Ihr jungen Wissenschaftlern / jungen Wissenschaftlerinnen mit auf den Weg geben wollen, die selbst einen wissenschaftlichen Blog starten wollen?

Kai Hauprich: Wir sind ja noch nicht so lange im Geschäft, aber ein paar Sachen kann ich glaube ich schon sagen. Ich denke das wichtigste ist, dass man Spaß hat zu basteln. Das kann eine zeitintensive Geschichte werden. Andererseits lernt man unheimlich viel, weil man so ein heterogenes Publikum hat. Man muss nochmal aus einer ganz anderen Perspektive auf sein Thema schauen. Etwas auf eine lesbare Länge für einen Blog zu bekommen ist manchmal eine Herausforderung. Es birgt auch die Gefahr oberflächlich oder missverstanden zu werden. Manchmal bekommt man dann „raue“ Kritik für Dinge, die man so gar nicht meinte. Das kann auch anstrengend sein. Die Themen mit denen wir uns befassen sind auch oft „aufgeladen“. Auf der anderen Seite bekommt man auch viel positives und konstruktives Feedback. Das ist natürlich sehr bereichernd. Für mich überwiegt bis jetzt aber klar das Positive. Endlich verstehen meine Eltern und Nachbarn was ich arbeite!

Thomas Münch: Einfach machen und sich nicht abschrecken lassen durch so fragwürdige Einwürfe wie „Bloggen ist schlecht für Eure Reputation!“ oder ähnliche Absurditäten!

Danke, dass Ihr beide Euch Zeit genommen habt. Viel Erfolg für Euer Projekt.

Von Benedikt Geyer

Mein Name ist Benedikt Geyer. Auf meiner Seite verblogge ich Interessantes rund um die Soziale Arbeit & neuere Medien und deren gegenseitige Wechselwirkung.