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[Interview] Dr. Nils Köbel & Patrick Breitenbach von Soziopod

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B/G: Vielleicht stellt ihr Euch kurz vor, für die die Euch noch nicht kennen. Und eventuell könnt Ihr verraten, an welchen Projekten ihr gerade arbeitet…

Nils Köbel: Dann fang ich mal an: Ich bin Dozent an der Universität Mainz. Hab‘ gerade meine Habilitationsschrift abgeschlossen und bereite mich auf meine Vorträge vor, halte meine Seminare und schreibe Artikel.

Patrick Breitenbach: Ich bin wieder auf selbstständigen Pfaden unterwegs und habe als großen Auftraggeber ZDF Digital gewonnen. Hier bin ich dabei das Thema „Wissen und Bildung“ und „Digitales“ inhaltlich mit aufzubauen und hier auch als Coach zu fungieren. Wir entwickeln Formate und bringen das „auf die Straße“. Das Ganze findet auch schon im Sommer statt.

B/G: Wird man Dich da auch als Protagonisten sehen können, oder bist Du eher im Hintergrund aktiv?

Patrick Breitenbach: Es könnte sein, dass zum Beispiel „SnapChat-Wissen“  Teil des Programms wird. Aber so weit sind wir noch nicht. Wir sind erst bei der Themenfindung und Recherche.

B/G: Patrick hatte – wenn ich recht informiert bin – die Idee den Podcast zu starten. Inzwischen seid Ihr bei ca. 50 Folgen angelangt. @Nils: Hast Du es jemals bereut, zuzusagen?

Nils Köbel: Bereut? Nie! Im Gegenteil. Es hat mich total weitergebracht. Ich habe dadurch auch viele neue tolle Leute kennengelernt. Also bereut in kleinster Weise. Im Gegenteil, es wird immer besser. Also „bereuen“ ist das ganz falsch Wort.

B/G: Habt ihr den Aufwand zu Beginn anders eingeschätzt, den es bedeutet, einen Podcast aufzuzeichnen?

Patrick Breitenbach: Gerade der Anfang war für uns nicht unbedingt schwierig und aufwendig. Wir konnten ja aus dem Wissensfundus vor allem von Nils profitieren. Ich versuche ja immer nur die „blöden Fragen“ zu stellen und die Theorie kaputt zu machen. Die größte inhaltliche Vorbereitung kommt nun mal von ihm.

Mit dem Grimme Award kam natürlich auch der Druck dazu, im Sinne von „Wann machen Sie endlich wieder eine Folge Soziopod?“. Und da haben wir natürlich den Selbstanspruch uns gründlich vorzubereiten und einzulesen. Das dauert dann natürlich länger. Mit einer Vollzeitstelle manchmal gar nicht so einfach.

Das Produzieren ist nicht der große Aufwand. Das Schneiden nimmt dann noch mal ein paar Stunden in Anspruch. Da wir von Beginn an einen hohen Anspruch hatten, was Qualität betrifft sagen wir lieber etwas weniger Folgen, dafür jedoch wertigere.

Nils Köbel: Es ist tatsächlich etwas anstrengender nach dem Award geworden, da wir natürlich immer etwas Spannendes machen wollen. Aber großen Spaß macht es nach wie vor.

B/G: Podcasting, das hört sich leicht an. Was braucht es schon außer einem Mikrofon … und jemandem der etwas reinspricht… Oder?

Patrick Breitenbach: Da bin ich natürlich auch qualitätsgetrieben. Da ich schon länger Podcasts mache, habe ich sozusagen die Einsteiger- und Experimentierphase hinter mich gelassen. Aber wir haben uns bewusst entschlossen gleich von Beginn an auf Qualität zu setzen. Hierfür verwenden wir dann auch die Spenden. Die fließen direkt in Equipment.

Gerade die Audioqualität spielt bei Gesprächen mit anspruchsvollen Themen eine entscheidende Rolle, um beim Geschehen gut dabei zu sein. Wäre da noch ein Rauschen oder Quäken im Hintergrund zu hören wäre fatal.

Tipp: Ralf Stockmann (Sendegate) bloggte von einem Headset von unter Hundert Euro um das Level zu erreichen, auf dem wir uns auch (mit teurerem Equipment) befinden zu erreichen.

B/G: Ihr habt Euer Set-Up ja auch auf Eurer Seite ja auch beschrieben.

Patrick Breitenbach: Ja, und da hat sich die Investition auch echt gelohnt.

B/G: Podcasting ist gefühlt „nur“ ein Trend aus den Jahre 2010, der so recht nicht verschwinden mag (Übersichtsseiten sind gefüllt mit endlos vielen Podcasts… diese sind jedoch mal mehr, mal minder aktuell). Wie schätzt Ihr das Ganze ein?

Patrick Breitenbach: Ich denke das hat sich in den letzten Jahren (gerade in den USA) geändert. Da kam der große Durchbruch mit dem Format „Serial“ , also dem Podcast-Format wo es darum ging, mittels Storytelling und realen Interviews Mordserien nachzuzeichnen. Und jetzt in Deutschland hat sich das stark befeuert. Es gibt auch eine große Community – gerade auch rund um Sendegate, die ich eben erwähnt habe.

Und schaut man auf den Grimme Award: Hier sind dieses Jahr drei Podcasts nominiert. Die Chancen stehen also gut. Und das zeigt ja auch, dass sich scheinbar etwas bewegt.

B/G: Hört Ihr selbst Podcasts? Wenn ja welche und in welcher Intensität? (Werbung erlaubt ;)

Nils Köbel: Ich höre zum Beispiel Interviews von Philosophen. Das höre ich total gerne. Das ist so mein Schwerpunkt – Biographien, was ja auch mein Forschungsschwerpunkt ist. Es gibt viele Archive mit guten Interviews.

B/G: Und was ist da Deine Quelle?

Nils Köbel: Ehrlich gesagt suche ich einfach immer nach den Namen und suche mir die passenden Archive raus.

Patrick Breitenbach: Ich habe zwar relativ wenig Zeit vielfältig und regelmäßig Podcasts zu hören. Aber ich habe natürlich meine Favoriten, jetzt ganz aktuell der großartige Jan Böhmermann und Olli Schulz mit „Fest & Flauschig“ auf Spotify. Was übrigens auch ein Indikator für den Boom von Podcast ist.

Ganz gerne höre ich auch noch den „Jung und naiv“-Podcast von Thilo Jung, sowohl die Interviews als auch zum Teil die ganze Bundespressekonferenz. Ansonsten Holgi mit seinem Wrint-Podcast.

Dann natürlich die Radioklassiker wie „Fragen an den Autor“…

Nils Köbel: … Oh ja, das höre ich auch gerne. Und „Zeugen des Jahrhunderts“…

Patrick Breitenbach: … genau und Zündfunk Generator und Zündfunk Langstrecke. Und klar, da tauchen auch immer wieder neue auf, die ich gerne höre.

B/G: Jetzt habt ihr schon ganz schön viel aufgezählt. Wie ist das bei Euch: Läuft das nebenbei?

Nils Köbel: Da ich immer von Frankfurt nach Mainz fahre, höre ich gerne Podcasts oder Interviews im Zug. Oder generell als Überbrückung von Strecken. Wenn ich natürlich ganz konzentriert sein muss, lese ich lieber Bücher.

Patrick Breitenbach: Ich höre wirklich gerne auch zum Einschlafen. Da kann man auch immer wieder an die Stellen zurück wo man dann eingeschlafen ist. Natürlich auch in der Bahn oder beim Kochen.

B/G: In der Flut, die uns über das Internet erreicht, kann man auch schon mal untergehen oder zumindest drohen zu kentern. Wer hat nach Eurer Einschätzung noch Zeit sich bis zu zwei Stunden „frei“ zu nehmen und einem Podcast zu lauschen?

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Patrick Breitenbach: Ich glaube tatsächlich, dass jeder Mensch seine Filter eingebaut hat. Also jeder der mal Inhalte antestet, wird relativ schnell merken ob es etwas taugt oder nicht. Ansonsten ist es natürlich eher wichtig, die großen Quellen zu kennen – und das sind dann eher so Content-Hubs. Also geht es eher um das Wissen, wo etwas abgelegt ist mit der Kombination aus Suchanfragen. Und natürlich die eigene Beurteilung davon, was man da vorfindet. So funktioniert filtern.

Bei Podcasts ist ja das gute, dass ich diese auch abonnieren kann, wenn mir das ganz gefällt. Dann habe ich es immer auf Abruf.

B/G: Ich glaube tatsächlich, dass die Bedienung von Suchmaschinen – so einfach das klingen mag – essentiell ist. Meinst Du die heutige Generation ist da fitter als wir das sind?

Patrick Breitenbach: Das würde ich aus meiner Erfahrung an Schulen bezweifeln. Das muss sich jeder für sich machen. Da gibt es kein „natürliches Gen“ ;-)

Nils Köbel: Da möchte ich aber auch noch mal eine Lanze brechen für Bücher. Also das meiste habe ich immer noch über Bücher gelernt. Denn hier kann man sich bestimmte Werke kaufen und dann in der Literaturliste schauen, welche Quellen der Autor verwendet hat. Das empfehle ich im Übrigen auch immer meine Studierenden.

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Patrick Breitenbach: Was sich natürlich nicht gegenseitig ausschließt …

B/G: … so eine Art Vorgänger des digitalen Hyper-Link sozusagen.

Nils Köbel: Ja, stimmt. Also sich da einfach weiter zu verketten…

B/G: Nun seid Ihr ausgewiesene Experten auf Euren Gebieten – Wie viel Vorbereitung bedarf eine Sendung dennoch? Und wie findet diese statt? Reines Bücherwälzen oder auch mal „eben kurz bei Wiki schauen“?

Nils Köbel: Der Blick in Wikipedia lohnt natürlich schon. Aber irgendwann kommt man am mühseligen Bücherlesen nicht mehr vorbei. Wenn man also etwas wirklich verstehen will, kommt man da nicht drum rum. So geht es mir zumindest immer.

Für kurze Einblicke lohnt der Blick ins Internet natürlich. Aber Bildung sollte nicht immer nur zeitabhängig sein. Bildung brauch immer auch Zeit und Muße. Das war für mich schon immer das Wesentliche gewesen, was auch keinen Ersatz – glaube ich – finden wird.

Patrick Breitenbach: Da bin ich ein anderer Typ. Ich gehe häufig immer mehr in die Breite und habe dabei ein anderes Vorgehen. Ich versuche immer möglichst schnell zu erfassen. Was sich gegenseitig wieder nicht ausschließt.

Aber ich kombiniere gerne verschiedene Aspekte miteinander, wo dieses schnelle Erfassen unglaublich hilfreich ist. Da ergänzen wir uns aber auch sehr gut. Letztlich macht es die Kombination aus beidem.

B/G: Beim Podcasting sollte man nicht gänzlich rhetorisch unterbegabt sein – Habt Ihr feststellen können, dass sich bei Euch im Sprechen etwas verändert hat über die Zeit?

Nils Köbel: Ja, ich habe das ganz stark gemerkt. Dinge kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen. Ich habe nicht wie in einer Vorlesung die Zeit und den Raum für lange Diskussionen. Und das hat mir wahnsinnig geholfen auch für meine Seminare. Also durch den Soziopod musste ich oft Dinge schneller gut auf den Punkt bringen, was ich super für meine Seminare nutzen kann. Und Rhetorik hat mit Übung zu tun. Das heißt ich muss es machen, machen und machen… Dann wird es irgendwann auch besser. Und dafür ist das Podcasten ideal.

Patrick Breitenbach: Da kann ich mich dem Kollegen nur anschließen. Am Anfang ist es natürlich ein bisschen wie der Sprung ins kalte Wasser. Aber ich kann es nur jedem empfehlen. Es ist zu Beginn etwas komisch, seine eigene Stimme zu hören, was sich mit der Zeit aber legt. Und für spätere Auftritte in anderen Kontexten kann das absolut gewinnbringend sein. Ähnlich wie beim Sport erreicht man stetig ein anderes Level.

B/G: Hört ihr Euren Podcast selbst noch mal an?

Nils Köbel: Auszugsweise. Hier geht es vor allem um die Qualität. Manchmal höre ich mir Podcasts auch noch mal ganz an, das wird aber seltener.

Patrick Breitenbach: Ab und zu mal aus Interesse. Oder auch zur Vorbereitung auf unsere Bühnenshow mit Popper. Da habe ich mir die entsprechende Folge noch mal zur Vorbereitung angehört.

B/G: Apropos Bühnenshow: Ihr seid ja experimentierfreudig was Formate angeht. Werden die Bühnenshows fortgeführt und habt ihr weiteres in Planung?

Patrick Breitenbach:  Klar, da geht es weiter. Das erste Event wird es jetzt in Berlin geben – in Neukölln. Und wieder in Hamburg. Andere Städte sind auch im Gespräch. Wahrscheinlich zu anderen Themen. Im Hintergrund tüfteln wir an einigen Dingen, die ich jedoch nicht verraten kann.

B/G: Nun muss ich natürlich fairerweise erwähnen: Ihr habt ein Buch (Wie ich wurde, wer ich bin, und was wir einmal sein werden: Streifzüge durch den Garten der Philosophie) auf den Markt gebracht. Wie kam es denn dazu?

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Patrick Breitenbach: Wir hatten die einmalige Chance, dass uns der Verlag angesprochen hat. Unsere spätere Lektorin hat sich an uns gewandt. Die war begeisterte Hörerin von uns, und so kam es dann letztlich zu dem Buchprojekt. Inhaltlich soll geht es dabei um einen groben Überblick von unseren Themen und das ganze wieder in Dialogform. Da das unser Kern ist. Also der Austausch – ohne sich zu fetzen – auf freundschaftlicher Eben in Augenhöhe.

Nils Köbel: Genau, es geht darum eine Sache zu besprechen. Es geht nicht darum sich zu fetzen oder sich als Person in den Vordergrund zu rücken. Das wäre genau das, was wir nicht wollen.

B/G: Scientific Blogging & Podcasting ist zumindest in den Sozialwissenschaften in Deutschland noch deutlich unterrepräsentiert. Sind die Hürden wirklich so hoch? Haben Sozialwissenschaftler_innen nichts Spannendes zu erzählen?

Nils Köbel: Generell hat man in der Pädagogik noch nicht so das Selbstbewusstsein. Vielleicht haben manche auch das Gefühl nicht in die Welt des Podcastings rein zu passen und ggf. Angst hiervor. Ich hätte auch nie gedacht, dass sich außerhalb des Hörsaals jemand dafür interessiert, was ich zu erzählen habe. So bin ich auch wie die Jungfrau zum Kind gekommen.

Wenn man es aber dann mal wagt, kann es auch klappen. Wir hoffen das wirkt ansteckend.

Patrick Breitenbach: Sehe ich ähnlich. Zumal Nils gut in der Didaktik drin ist. In manchen akademischen Kreisen steht die Forschung und nicht die Wissensvermittlung im Vordergrund. Das Risiko etwas Falsches zu sagen ist natürlich auch nicht zu unterschätzen, was einem dann im Wissenschaftsbetrieb um die Ohren gehauen werden kann.

B/G: Vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit für dieses Interview genommen habt.


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Von Benedikt Geyer

Mein Name ist Benedikt Geyer. Auf meiner Seite verblogge ich Interessantes rund um die Soziale Arbeit & neuere Medien und deren gegenseitige Wechselwirkung.